„Es reicht nicht nur, den Überblick zu behalten, man muss auch durchblicken“ heißt der Untertitel des dritten Bands der Science-Fiction-Bücherreihe „Animorphs“ von Katherine Alice Applegate. Auch das Arbeitsrecht ist eine nicht leicht zu durchblickende Materie. Verstreut in vielen Gesetzten finden sich arbeitsrechtliche Regelungen. Hinzu kommt ein eher zögerlicher Gesetzgeber, der viele Fragen nicht regelt, sondern der Rechtsprechung die Rolle als Ersatz-Gesetzgeber überlässt. An dieser Stelle setzt der Erfurter Kommentar mit seinem „einer für alles“-Konzept an und kommentiert im jährlichen Turnus die wesentlichen Arbeitsgesetze komprimiert in nur einem einzigen Band.
Nicht zu Unrecht wird der Erfurter Kommentar vom Beck-Verlag als Ein-Band-Bibliothek zum Arbeitsrecht bezeichnet, der dazu noch ohne die gewöhnungsbedürftigen Palandt-Abkürzungen auskommt. Der Leser findet in dieser Bibliothek die arbeitsrechtlichen Teile von 45 Gesetzen (nebst GG und AEUV) mit dem Rechtsstand 1.9.2014. Das Tarifautonomiestärkungsgesetz, welches insbesondere das vieldiskutierte Mindestlohngesetz enthält, ist bereits enthalten und kommentiert. Ergänzenswert wären meines Erachtens noch die §§ 35 ff. SGB VI, die Arbeitsstättenverordnung sowie das Bundespersonalvertretungsgesetz.
Die Gesetze sind alphabetisch angeordnet von A wie ÄArbVertrG bis W wie WZVG (XYZ sind bisher unbesetzt), was die schnelle Auffindbarkeit einzelner Normen sehr erleichtert. Der Beck-Verlag sollte überlegen, dieses Sortierkonzept auch auf seine Gesetzestextausgaben zu übertragen.
Die Kommentierung ist durchweg systematisch aufgebaut. Bei den „längeren“ Kommentierungen (zB § 611 BGB, § 77 BetrVG) werden Gliederungsübersichten vorangestellt, damit der Leser sich schneller zurechtfindet. Bei den „kürzeren“ Kommentierungen hilft der bewährte Fettdruck von Schlagwörtern, der ein rasches Auffinden von relevanten Passagen beim Querlesen ermöglicht. Ein fast 80-seitiges Stichwortverzeichnis am Ende hilft dem Leser zusätzlich, an der richtigen Stelle nachzuschlagen. Lediglich Formulierungshilfen sucht man vergebens. Inhaltlich werden alle wichtigen Fragen in der gebotenen Kürze behandelt und dennoch gut beantwortet. Im Vordergrund steht die aktuelle Rechtsprechung der Obergerichte, der Leser findet aber auch viele Entscheidungshilfen zu Streitfragen und weiterführende Literaturhinweise, sofern ein tieferer Einstieg in die Materie erforderlich ist.
Durch den jährlichen Erscheinungsturnus ist Aktualität bezüglich Rechtsprechung und Literatur garantiert. Wer es noch aktueller wünscht, muss bei Beck-Online zum BeckOK greifen, der viermal pro Jahr aktualisiert wird. Bei Beck-Online gibt es übrigens auch den „Erfurter“ – gleichwohl ist der Erfurter Kommentar als Buch zum Blättern und Querlesen der Online-Ausgabe wegen der besseren Optik und Haptik überlegen und gehört zusammen mit dem „Fitting“ und dem „Küttner“ auf den Schreibtisch eines jeden im Arbeitsrecht Tätigen, der im Gestrüpp der arbeitsrechtlichen Regelungen nicht nur den Überblick, sondern auch den Durchblick behalten muss.
Die Rezension wurde der NJW – Neue Juristische Wochenschrift 2015, Heft 39, entnommen.
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